Ein Kleinod im Regierungsviertel

„Gesichter aus Bonn und Region“ stellt euch regelmäßig Persönlichkeiten vor, die hier verwurzelt sind und euch spannende Orte und interessante Fakten der Region aus ihrer Sicht präsentieren möchten.

Das Bundesbüdchen steht heute am Rande des Platzes der Vereinten Nationen. Diesen Standort bekam es 2020, nachdem es fast 15 Jahre im Bahnhof Hersel zwischengelagert war, weil es dem Bau des World Conference Center weichen musste. Früher, als Bonn noch Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland war, stand es wenige hundert Meter weiter genau zwischen Bundeskanzleramt, Bundesrat und Bundestag.
Betreiber des Bundesbüdchens war von 1984 bis 2006 Jürgen Rausch. Er versorgte dort, als Bonn noch Bundeshauptstadt und Regierungssitz war, Spitzenpolitiker und Abgeordnete mit Bockwürsten, Zeitschriften und Zigaretten.
Seine Mutter begann dort schon 1957 den Verkauf von Obst mit einer Karre. Später wurde daraus an der Stelle das Bundesbüdchen. Die Familie Rausch baute den Kiosk mit seiner charakteristischen, ovalen Form und der gefliesten Außenwand. Heute sieht es noch genauso aus wie damals. So viel wie möglich ist noch so erhalten, wie es damals angelegt wurde. Der Verkaufspavillon steht sogar unter Denkmalschutz. Nur den Keller, den das Bundesbüdchen damals sogar hatte, den gibt es heute nicht mehr.
Als Jürgen Rausch das Bundesbüdchen von seiner Mutter übernahm, wusste er erst nicht, ob das etwas für ihn ist. Er merkte allerdings schnell, dass es ihm Freude bereitete! Ausschlaggebend dafür war vor allem seine Faszination für die breit gefächerte Klientel, die damals vom Wohnungslosen bis zum Kanzler reichte. 


Jürgen Rausch kannte die Bonner Politprominenz, denn sie stand täglich an seinem Kiosk im Regierungsviertel. Sein Dackel hat ihm am Kiosk oft Gesellschaft geleistet. Der Hund war sehr gut erzogen, hörte auf sein Herrchen und hatte deshalb ansonsten alle Freiheiten der Welt. Er war zutraulich und mochte alle, bis auf eine Gruppe Menschen: Jogger. Einer davon war Joschka Fischer, der regelmäßig am Bundesbüdchen vorbeijoggte. Das brachte den Dackel jedes Mal in Rage – und auch wenn Herr Fischer dann verfolgt und beinahe in die Wade gebissen wurde, er blieb eisern bei seiner Laufroute.
Auch der heutige CDU-Vorsitzende Friedrich Merz war regelmäßig am Kiosk anzutreffen. Jürgen Rausch kann seine Kontakte, die er durch das Bundesbüdchen hat, noch heute spielen lassen und bot uns (mit einem Augenzwinkern) an, für uns Termine mit Herrn Merz zu vereinbaren, falls wir einen bräuchten.
Trotz der vielen Polit-Sternchen und mächtigen Persönlichkeiten war alles sehr bodenständig. Beim Bundesbüdchen handelte es sich auch damals um einen einfachen Kiosk: Norbert Blum nannte es einen „unprätentiösen Ort für die spontane Kommunikation ohne Tagesordnung“, die es in keinem anderen Regierungsviertel der Welt gibt. Und auch der Rest des Regierungsviertels war nicht besonders pompös: Jürgen Rausch erinnert sich an einen Delegierten aus Ghana, der ihn fragte, wo das Parlament sei. Rausch zeigte es ihm (er stand quasi direkt davor), woraufhin der Delegierte sich gebogen habe vor Lachen, da ihn der Zweckbau von außen offenbar überhaupt nicht an ein Parlament erinnerte. Auch der lange Eugen, das damalige Abgeordnetenhaus, ist ein sehr einfaches Hochhaus und alles andere als prunkvoll.
In der Schlichtheit erkennt man den provisorischen Charakter der Stadt als Bundeshauptstadt. Die Hauptstadt Bonn stand auch für einen neuen Stil, mit dem Deutschland international um Vertrauen werben wollte: bescheiden, pragmatisch, unaggressiv – für Demokratie und Freiheit.


Jürgen Rausch ist in Bonn geboren und lebt heute in Windeck im Rhein-Sieg-Kreis. Trotzdem ist er noch oft in Bonn und am Bundesbüdchen anzutreffen. Als wir uns treffen erzählt er, dass er im Anschluss noch einen Termin beim Kleinen Theater in Bad Godesberg hat, auch da geht es ums Bundesbüdchen.
Er trifft sich sehr regelmäßig mit Unterstützern des Bundesbüdchens. Unter anderem Prof. Karl-Heinz Erdmann vom Geografischen Institut der Uni Bonn, der aktuell ein Buch über das denkmalgeschützte Kiosk schreibt.
Auch für den Wiederaufbau war der Einsatz vieler Bundesbüdchen-Fans wichtig und ausschlaggebend. Unterstützer finden sich im Förderverein historischer Verkaufspavillon e.V. zusammen, dessen Ziel es ab 2015 war, den Wiederaufbau voranzutreiben. Heute kümmert sich der Verein um den Erhalt des Pavillons. Norbert Blüm war auch Mitglied des Fördervereins, sogar eines der ersten.
Für Jürgen Rausch ist das Bundesbüdchen auch heute noch mehr als nur ein Hobby. Er sieht es als seine Berufung an, fortzuführen, womit er und viele Unterstützer sich lange beschäftigt haben: das Bundesbüdchen steht für die Versinnbildlichung der Geschichte der Bonner Republik. Ihm ist es wichtig, zu helfen, wo er kann, und zurückzugeben, was er bekommen hat – auch, wenn es natürlich auch sehr harte Zeiten gab.
Heute ist das Kiosk an die Bäckerei von Peter Mauel verpachtet, der auch wertvolle Arbeit im Förderverein geleistet hat. Und auch wenn die Bockwurst nicht unbedingt zu deren normalem Sortiment gehört, bekommt man sie heute dort trotzdem noch.

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