Wo „Em Stadthüsje“ zum Vorschein kommt, erwartet man eigentlich keine Kneipe: im Herzen des Bonner Stadthauses, zwischen den grauen Häuserfronten der fünf Stadthaustürme, die hoch darüber ragen, bekommt eine kleine orange Hütte all unsere Aufmerksamkeit.
Bonner kennen „Em Stadthüsje“ entweder vom Vorbeigehen, wenn lästige Behördengänge zu erledigen sind, oder vom gezielten Besuch der Kneipe (dort kommt man nämlich nicht unbedingt zufällig vorbei). Trotzdem wird sie gut besucht: denn wer einmal da war, kommt in aller Regel auch wieder.
Volker Beier hat das Stadthüsje vor acht Jahren übernommen. Man merkt ihm seine Leidenschaft dafür an, denn die Kneipe vereint vieles, was auch privat zu seinen Interessen zählt: Karneval, den FC, Thekengeschichten und gute Freundschaften, die mit Stammgästen und Personal entstanden sind. Er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Stadthüsje“ und darunter: „Bonn. Meine Liebe. Meine Stadt. Meine Kneipe“. Der Spruch ist abgeleitet aus dem Song „Meine Liebe, meine Stadt, mein Verein“ von den Domstürmern (seiner Lieblingsband), und beschriebt seine Haltung zur Stadt Bonn und seinem Stadthüsje ziemlich gut.
Er fährt in seiner Freizeit gerne mit dem Rad am Rhein entlang, liebt die Rheinaue, das Treiben am Markt, lebt mitten in der Bonner Innenstadt und kennt die Bonner Kneipen – eher als Gast und Freund, als als Konkurrent.
Aufgewachsen ist er in Volmershoven-Heidgen im Rhein-Sieg-Kreis. Für seine Ausbildung als Sportartikelkaufmann kam er dann mit 14 Jahren nach Bonn. Die Gastronomie kannte er damals nur von kleinen Nebenjobs. Er wurde dann zur Wehrpflicht eingezogen, was erstmal das Ende für seine Karriere als Sportartikelkaufmann bedeutete. Danach war er vor allem in der Gastronomie tätig und hatte dort einige Arbeitgeber und Posten, auch als Köbes.
Das Stadthäusje wurde erst vom Verein „Zukunft für Kinder – Philippinenhilfe“ übernommen, bei dem er auch Mitglied ist. Kurz darauf übernahm Volker Beier die Kneipe.
Dass das Stadthüsje auch Sportsbar ist, lässt sich erahnen, wenn man die zahlreichen FC-Wimpel erblickt, die hier hängen. Auf sechs Fernsehern wird jedes Spiel des FC Kölns übertragen. Deshalb öffnet die Kneipe an Bundesliga-Samstagen früher als normalerweise.
Neben den regelmäßigen Besuchen von Fussballfans bewirtet Volker Beier fast täglich irgendeinen Stammtisch. Dazu zählen die Ehrengarde der Stadt Bonn, ein Stammtisch mit ehemaligen Telefonistinnen aus dem Stadthaus, oder die „All Bönnsche Karnevalisten“, die einmal im Monat dort Karneval feiern. Durch die Stammgäste haben sich Dekorationsgegenstände angesammelt, die man erst versteht, wenn Volker Beier sie einem erklärt. Das Stadthüsje ist geschmückt mit Erinnerungen. Auch das macht den Charme der Kult-Kneipe aus.
Ein Highlight für ihn und ein ganz besonderer Stammtisch ist der der Ur-Bonner. Sie treffen sich hier einmal im Monat zum Austausch, singen gemeinsam „Träumendes Bonn“ von Emil Lohmer (der das Lied vor 68 Jahren komponiert hat immer beim Stammtisch dabei ist) und haben eine gute Zeit im Stadthüsje.
Das hier viele Vereine ihren Stammtisch haben, hängt auch damit zusammen, dass er selbst Mitglied in mehreren Vereinen ist, unter anderem in vier (!) Karnevalsvereinen. Außerdem ist er aber auch tätig für den Verein „Zukunft für Kinder – Philippinenhilfe“, der sogar einmal im Jahr für einen Bingo-Brunch die Kneipe übernimmt. An dem Tag (dieses Jahr ist das der 31. Juli) sind alle Einnahmen zu Gunsten des Vereins.
Wie die meisten Unternehmen hatte das Stadthüsje es 2020 und 2021 nicht leicht. Heute merkt man die Pandemie zwar immer noch, aber es läuft schon wieder sehr viel besser. Vor Corona kamen die Gäste auch montags und dienstags. In den letzten Monaten war an diesen Tagen allerdings sehr wenig los, weshalb Volker Beier sich entschied, stattdessen am Wochenende zu öffnen – auch dann, wenn kein Spiel des FC Kölns läuft. Das kommt natürlich auch seinem jüngeren Publikum entgegen. Sie schätzen seinen Pflaumenschnaps und die Knobelbecher (Knobeln ist hier Volkssport Nummer 1). Das sind hier die wichtigsten Bestandteile eines gelungenen Abends am Wochenende.
Auch wenn man denkt, es sei so naheliegend, zählen die Mitarbeiter des Stadthauses nicht unbedingt zu den Stammgästen. Früher war das so, möglicherweise wurde die Kneipe sogar für diese Zielgruppe dort aufgebaut. Heute kommt es leider nur noch selten vor, dass sich jemand aus dem Stadthaus nach Feierabend dorthin verirrt. Vielleicht haben sie sich zu sehr an das orangene Häuschen zwischen den Fensterfronten gewöhnt.
Trotzdem hat das Stadthüsje ein sehr buntes Publikum: vom Studenten bis zum 96-jährigen Ur-Bonner ist alles dabei. Die Veranstaltungen reichen von der Schlagerparty über Weihnachtskonzert bis zur Karnevalssitzung.
Für Touristen ist dieses rheinische Original (und zwar alles daran: Kölsch, Köbes, Karneval und Frohnaturen) wahrscheinlich aufgrund seiner Lage allerdings noch ein echter Geheimtipp. Außer, meint Volker Beier, zu Karneval: da kommen die Menschen aus ganz Deutschland – und sogar aus Deutschlands Nachbarländern – ins Stadthüsje.


